Das Comeback der Atomenergie – oder nicht?

Alle Nationen bauen Atomkraftwerke, sie sind notwendig für eine sichere Stromversorgung. Deswegen ist es eine Einzelentscheidung die Deutschland fällt, seine AKWs abzuschalten. Aber ist das wirklich so?

Schauen wir uns das atomare Europa einmal genauer an. Nicht anders kann man es bezeichnen, wenn man den Freunden der Atomkraft glaubt und auf ihre Argumente hört. Überall wird gebaut, AKWs selbstverständlich. Frau Merkel lässt sich auf der BDI-Jahrestagung (15.06.2009) zu folgender Aussage hinreißen: „Wenn ich sehe, wie viele Kernkraftwerke weltweit gebaut werden, wäre es jammerschade, wenn Deutschland aussteigen würde.“
Gehen wir unsere Nachbarländer nun einmal im Detail durch.

Frankreich, quasi das Zentralmassiv unter den Atomstrom produzierenden Ländern Europas. Weit über 80% kommen aus der Atomenergie. Ja, dort wird gebaut, was aber wie wir sehen werden, eher die Ausnahme ist. Frankreich baut die neueste Version des Druckwasserreaktor (EPR), welcher sich nur in Details vom Druckwasserreaktor Version 3 unterscheidet, der auch in Deutschland bereits seit über 30 Jahren seinen Dienst tut. Hier kann also nur bedingt von modernster Technologie gesprochen werden.
Dennoch macht der Bau so große Probleme das die Baukosten auf geschätzte 5 Mrd. gestiegen sind und auch das Bauende noch nicht abzusehen ist. Bereits nächstes Jahr sollte der Reaktor Strom produzieren, dies wird er jedoch frühestens 2014. Was hingegen sicher ist, dass nur dieser Reaktor in nächster Zeit ans Netz gehen wird. 19 Reaktoren müssen aber in den kommenden 10 Jahren aus Altersgründen stillgelegt werden. Hier ist nichts von einem Comeback zu erkennen.

Die Schweiz betreibt 4 Atomkraftwerke und ließ sich sogar nach dem Deutschen „Ausstieg aus dem Ausstieg“ dazu hinreißen, laut über den Neubau von AKWs zu sprechen. Nun allerdings wurde von der Regierung und dem Parlament beschlossen aus der Atomenergie auszusteigen. Von einem Neubau wird gar nicht mehr gesprochen und das letzte Atomkraftwerk in der Schweiz soll im Jahr 2034 abgeschaltet werden.

Italien zwar kein direkter Nachbar, aber energiepolitisch relevant. Ministerpräsident Berlusconi wollte trotz dem alten Referendum, gegen Atomkraftwerke in Italien kurz nach dem Tschernobyl-Unfall, nun doch neue Kraftwerke bauen. Am vergangenen Wochenende zeigten jedoch die Italiener in einer bindenden Volksabstimmung: Italien will keine neuen Atomkraftwerke. Also auch hier bleibt die Wiederkehr der Atomkraft aus.

Österreich ist eher bekannt dafür viel Strom durch Wasserkraft zu erzeugen und selbst keine AKWs zu besitzen. Ein einziger Reaktor wurde im Jahr 1977 gebaut. Dieses aus der selben Baureihe stammende AKW wie Isar 1,  Brunsbüttel und Philippsburg 1 wurde mangels Vertrauen in die Sicherheit nie in Betrieb genommen und dient heute als Ausweichstandort für eine Volksschule und als Halterung für eine Solaranlage.
Österreich importiert hingegen Atomstrom von seinen Nachbarn, was die Regierung nun ändern möchte. So soll das Stromnetz ab 2015 Atomstromfrei sein.

Tschechien lässt verlauten, neue Atomkraftwerke bauen zu wollen. Jedoch produzieren Kraftwerke wie Temelin bereits jetzt fast ausschließlich für den Export in die Nachbarstaaten. Wenn zukünftig Deutschland und Österreich der Atomenergie den Rücken kehren, wird dort weder der momentane Weiterbetrieb, geschweige denn ein Neubau sinnvoll sein.

Polen möchte auch Atomkraftwerke vielleicht sogar direkt an der deutschen Grenze. Nach dem deutschen Entschluss nun doch auszusteigen, ist es verdächtig ruhig geworden um die Neubaupläne. Auch hier ist ein Abkehr von den Plänen in nächster Zeit realistisch.

Schweden hatte geplant bis 2010 aus der Atomenergie auszusteigen. Hat aber, in einem Beschluss von 2009, den Ausstieg erstmal auf Eis gelegt. Die verbleibenen 3 Kraftwerke sollen bis 2025 abgeschaltet werden, von einem Neubau ist hier ebenfalls nicht die Rede.

Norwegen und Dänemark produzieren einen Großteil ihres Stroms aus Wasser und Windkraft und betreiben selber keine AKWs. Niemand würde dort auf den Gedanken kommen nun eines bauen zu wollen.

England möchte seit mehr als 10 Jahren neue Atomkraftwerke bauen. Jedoch ist dies nur mit finanzieller Hilfe des Staates möglich, welcher sich aber bisher nicht in der Lage gesehen hat Geld für einen Neubau bereit zu stellen. Auch hier müssen in den kommenden 5 Jahren 6 Reaktoren abgeschaltet werden. Diese können voraussichtlich nicht durch Neue ersetzt werden. Hier ist ebenfalls von einem Comeback nichts zu spüren.

Luxemburg ist europäische Rekordhalter bei installierter Photovoltaikleistung pro Kopf und besitzt keine AKWs. Erneuerbare Energien sind hier auf dem Vormarsch – keine Atomenergie in Sicht.

Belgien und die Niederlande haben sich bisher nicht zu einem Ausstiegsszenario geäußert, haben aber auch keine Neubaupläne in der Hinterhand.

Wenn wir uns also Deutschlands Nachbarn genauer anschauen, kann hier nicht von einem Comeback die Rede sein. Ganz im Gegenteil zu den Erneuerbaren Energien. Wenn wir hier die Zubauzahlen betrachten, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Denn solche Anlagen werden in allen beschriebenen Ländern neu gebaut.