Verunreinigtes Saatgut, Herkunft unbekannt?
Nun ist schon mehr als eine Woche vergangen, seit bei einer Routinekontrolle des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums gentechnisch verunreinigtes Rapssaatgut entdeckt wurde. Das verantwortliche Unternehmen „Deutsche Saatveredelung“ (DSV) weist jede Schuld von sich. Und über die Herkunft der Verunreinigungen herrscht weiter Rätselraten.
Die DSV hatte das verunreinigte Saatgut nach Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen verkauft. Inzwischen ist klar: Auf rund 1.500 Hektar ist es bereits ausgesät worden. Die betroffene Rapssaat wurde gentechnisch gegen ein Herbizid resistent gemacht. Für den Anbau von gentechnisch verändertem Raps gibt es in der EU keine Zulassung. Die Behörden haben in allen Bundesländern schnell reagiert und die Landwirte zur Vernichtung der auflaufenden Saaten aufgefordert.
Die Politik ist aus gutem Grund beunruhigt: Raps hat eine hohe Vermehrungsrate, und Rapssamen können bis zu 15 Jahre keimfähig im Boden überdauern. Er kann in artgleiche Kreuzblütler einkreuzen und ist ein enger Verwandter von Grünkohl, Brokkoli, Rosenkohl und Wirsing. Rapspollen können außerdem durch Insekten über weite Entfernungen transportiert werden. Das begünstigt die Auskreuzung in artverwandte Wildpflanzen zusätzlich. Und es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass der Gen-Raps über Honig-Bienen in unsere Lebensmittel gelangen könnte.
Greenpeace hat inzwischen herausgefunden, dass die DSV für den Zeitraum von 1996 bis 2006 eine Genehmigung für den Versuchsanbau von Gen-Raps an 20 Standorten in Deutschland hatte. Daher muss jetzt geprüft werden, in wie weit die Firma selbst für die Verunreinigung ihres Saatgutes verantwortlich ist. Greenpeace Gentechnik-Expertin Ulrike Brendel warnte: „Um den sogenannten Durchwuchs zu erkennen und zu kontrollieren, darf in den folgenden Jahren auf den betroffenen Feldern kein Raps oder artverwandte Pflanzen wie Senf angebaut werden.“
Wie die Taz gestern berichtete, behauptet DSV-Vorstand Christoph Lüdecke, dass die Verunreinigungen nicht von seinem Unternehmen stammen. Vom Land fordert er jetzt eine B-Probe und will alle Rechtsmittel ausschöpfen, um die Unschuld seiner Firma zu beweisen. Außerdem fordert er einen gesetzlichen Schwellenwert von 0,1 Prozent für die Ausbringung gentechnisch veränderter Rapssaat: „Die Diskussion in Europa ist gegen gentechnisch veränderte Organismen, aber da schon Freiland-Versuche gelaufen sind, muss man einen Schwellenwert festlegen.“ Diese Forderung sollte einem schon zu denken geben. Schliesslich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die DSV die Verunreinigungen selbst verschuldet hat. Eine Gesetzesänderung käme dem Unternehmen da natürlich gerade recht.