Kommentar
Die Europäische Kommission ist der tschechischen Turow-Klage beigetreten

Die Europäische Kommission ist der tschechischen Turow-Klage beigetreten

„Die einstweilige Verfügung des EuGHs, den Braunkohletagebau Turow wegen Wassermangels auf tschechischer Seite zu unterbrechen ist wegweisend, weil es Umweltbelange vor monetäre Interessen stellt“, sagt Kerstin Doerenbruch Pressesprecherin von Greenpeace Berlin. Am Freitag vor Pfingsten kündigte die polnischen Regierung an, diese Entscheidung zu ignorieren und suggerierte am Dienstag nach Pfingsten, sich mit der tschechischen Seite finanziell einigen zu können. Das wurde dann vom tschechischen Umweltministerium an die Bedingung geknüpft, erst einmal die einstweilige Verfügung umzusetzen. Die tschechische Seite fordert jetzt eine tägliche Strafe von 5 Mio. €, wenn die polnische Seite weiter gegen die einstweilige Verfügung verstößt. Es ist also eine klassische Pattsituation entstanden.

Nun ist die europäische Kommission zum letztmöglichen Datum der tschechischen Klage beigetreten. Das erhöht weiter den Druck.
Nur Deutschland ist abgetaucht. Dazu hätte sich der sächsische Ministerpräsident Kretschmer bei der Bundesregierung für einen Beitritt zur Klage stark machen müssen. Greenpeace hat ihm mit einem offenen Brief zusammen mit dem BUND, Client Earth und der grünen Liga ein Gesprächsangebot gemacht, dass er bisher nicht beantwortet hat. Nur wenn Deutschland auch der tschechischen Klage beigetreten wäre, hätte Polen Verantwortung auch für die deutschen Umweltschäden übernommen.

Der Fall Turow ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Kohlestrom immer mehr in finanzielle Probleme rutscht. Der aktuelle europäische Zertifikatspreis im europäischen Emissionshandel liegt über 50 €/t CO2. Damit rechnet sich Braunkohlestrom heute bereits nicht mehr. Wenn man die Folgekosten des Klimawandels einpreist, müssen wir uns mittelfristig Richtung 200 €/t CO2 bewegen. Das Bundesverfassungsgericht hat vor kurzem entschieden, dass die Belange der nächsten Generation ab jetzt berücksichtigt werden müssen.

Wenn Polen sich also an den tschechischen Umweltschäden von bis zu 45 Mill. € beteiligt, dann ist die weitere Kohleförderung defizitär für PGE als Tochterunternehmen des polnischen Staates. Hier sind die Kosten für die über hundert Meter tiefe unterirdische Wand noch nicht einmal eingerechnet. Wenn Polen weiterhin keinen Kohleausstieg für Turow in 2030 beschließt, entgehen ihnen Mittel aus dem 17,5 Mrd. € schweren EU-Fonds Just Transition Fund für den Strukturwandel, an dem auch Zittau teilhaben könnte.

Mehr als 40% des weltweiten CO2 stammt aus Kohlekraftwerken. Wir benötigen einen europäischen Kohleausstieg spätestens 2030, auch auf deutscher Seite. Für die Lausitz werden sonst für 2050 z.B. Hitze und Trockenheitsprobleme für den Winterweizen und eine Dezimierung der nordsächsischen Wälder vorhergesagt.

Quelle polnische Regierung:
https://www.rmf24.pl/fakty/polska/news-negocjacje-ws-kopalni-turow-morawiecki-mowi-o-porozumieniu,nId,5252907?fbclid=IwAR1gwlsQ9qPxwPaDGe8So6TrI4cittqFdeXIqYS58nN2_b8aMf3PElwVQOQ#crp_state=1

Quelle tschechisches Umweltministerium:
https://www.mzp.cz/cz/news_20210524-Cesti-a-polsti-zastupci-dnes-jednali-o-Turowu-Diskutovali-take-o-patecnim-rozhodnuti-Soudniho-dvora-Evropske-unie

Quelle zum Beitritt der EU-Kommission:
https://www.reuters.com/article/us-czech-poland-turow/european-commission-joins-czech-case-against-polands-turow-coal-mine-idUSKCN2DL1Y2

Quelle der tschechischen Forderung von 5 Mio. € täglich gegen den Verstoss der einstweiligen Verfügung:
https://www.energiezukunft.eu/politik/polen-drohen-strafzahlungen-von-fuenf-millionen-jeden-tag/

Hier ist außerdem unsere Presseerklärung zum EuGH-Urteil verlinkt.